Hallo Ihr,
Claudia hat geschrieben:Naja, Du hattest eben das Glück, dass Du es umgedreht getan hast, so würde ich mal sehen. Warst Du nicht Historiker?
Naja, nicht ganz. Ich bin studierter Anglist. Mein anderes Fach war die Geschichtswissenschaft, da habe ich kurz vorm Abschluss aufgehört, weil es keine wirkliche Perspektive mehr gab. Genauer gesagt, das Studium liegt auf Eis und ich könnte es jederzeit zu Ende führen. Nur, was mache ich dann damit, was ich mit Anglistik nicht auch evtl. machen könnte? Das hat mit amerikanischer und britischer Geschichte ähnliche Schwerpunkte, wie das Geschichtsstudium.
Der Plan dahinter war ursprünglich halt Lehrer zu werden und so habe ich Englisch auch mit dem Profil "Englisch als Fremdsprache", also dem lehramtsspezifischen Schwerpunkt studiert, Geschichtswissenschaft ebenso. Dann kam die Entscheidung gegen die Lehrerlaufbahn und ich habe zumindest Geschichte auf fachwissenschaftlich weiter studiert. Anglistik war ich schon so weit mit dem Lehramtsprofil, dass ich das so zum Abschluss gebracht hatte.
Claudia hat geschrieben:Und dann vermutlich im ALG2, und wenn man da eigentlich kaum bis gar nicht vermittelbar ist, dann läßt man einem eine Ausbildung angedeihen.
Nein, so war es nicht. Ich habe tatsächlich nie Hartz 4 oder ALG im allgemeinen bezogen. Nicht, das ich zögern würde es zu beantragen, falls es nicht anders gehen würde. Aber den zusätzlichen Stress mit dem Jobcenter will ich mir hoffentlich ersparen in meinem Leben. Der Stress mit dem Arbeitsamt hat mir schon gereicht.
Ich habe mich noch während meines Studiums (zusammen mit meinem Studienberater) nach beruflichen Alternativen umgesehen. Ich bin dann nahtlos vom Studium in die (geförderte) Ausbildung gegangen. Diese Ausbildung zum Industriekaufmann International wurde mir also nicht "aufgezwungen", sondern ich habe mich bewusst und proaktiv dafür entschieden, um mein berufliches Profil mit kaufmännischen Fachkenntnissen unter Einbeziehung meiner Fremdsprachenkentnisse abzurunden. Vielleicht ist das auch ein Grund, dass die Förderung der Ausbildung ohne großes Murren bewilligt wurde, da ich einen gut durchdachten Plan vorweisen konnte.
Nur nach der Ausbildung lief das erstmal nicht so wie geplant. Ich hatte mir das von den Jobmöglichkeiten anders vorgestellt, und hatte echt keine Lust im Callcenter oder in einer Zeitarbeitsfirma (die nicht alle per se schlecht sein müssen, aber trotzdem) anzufangen.
Und weil ich für das Bestehen der Prüfung eine saftige Prämie gezahlt bekommen hatte, konnte ich mir den Luxus leisten, da einige Monate von zu zehren und das Beantragen von Leistungen (und damit Jobcenter-Stress) zu vermeiden.
Ironischerweise wurde ich dann trotzdem in eine "Basteln-und-Malen-für-Erwachsene"-Maßnahme gesteckt, aber da bin ich nach drei Tagen wieder rausgekommen, habe es mir aber nicht nehmen lassen, am dritten und letzten Tag zur Freude der Lehrkräfte und Teilnehmer meine Gitarre mit in die Einrichtung zu nehmen und die Hütte zu rocken
Höhepunkt der Aktion war, dass der Leiter der Maßnahme mir einen (gut bezahlten) Auftritt auf dem Weihnachtsmarkt der Nachbarstadt vermittelt hat
Das Leben schreibt schon manchmal kuriose Geschichten.
Abgesehen von meiner musikalischen Intervention und guten Gesprächen mit den anderen Teilnehmern (und vereinzelt auch mit Leitern) war es echt die Hölle in der Maßnahme, und ich empfinde immer noch starkes Mitleid für die Teilnehmer, die dort wochenlang darben mussten. Es war einfach alles so sinnfrei, ich war offensichtlich in vielen Bereichen besser ausgebildet als die Leiter. Die meiste Zeit hatte ich damit verbracht, anderen Teilnehmern zu helfen oder sogar von den Leitern in ihr Büro gerufen zu werden, um da meine Office-Kenntnisse einzubringen. Am Ende bin ich dort gar nicht dazu gekommen, an meinen eigenen Bewerbungen zu arbeiten, was ja eigentlich der Sinn der Sache sein sollte.
Puh, das musste mal raus, könnte mich da noch ewig weiter drüber aufregen. Wenn ich daran denke, dass die anderen Teilnehmer hingehen MÜSSEN und sonst ihre Leistungen gekürzt bekommen, also nichts mehr zu Essen haben oder den Strom abgeschaltet bekommen, wie unmenschlich ist das denn?
Jedenfalls habe ich dann am eigentlich vierten Tag der Maßnahme ein Arbeitsverhältnis aufgenommen und war damit aus der Sache raus. Ich gehe auch nie wieder in so eine Maßnahme. Eher werde ich einen Job am unteren Ende der sozialen Leiter annehmen und diesen mit Würde erfüllen, als mich nochmal in die Gewalt solcher Menschen zu begeben, die den Auftrag haben, mich zu "motivieren".
Sollte jemand da noch keine Berührungspunkte mit gehabt haben und meine Story übertrieben finden, dann schaut mal ins Elo-Forum (Erwerbslosen Forum):
https://www.elo-forum.org/Da finden sich unendlich viele Storys von Behördenwillkür...
Claudia hat geschrieben:Und ich hatte ja eine Ausbildung auf die man mich lebenslang "festgetuckert" hat- Arzthelferin. Und da kann ich tun was ich will, da gibt es immer Jobs. (OK, mit Corona sieht es da auch gerade nicht so dolle aus.)
Ich könnte mir manchmal noch in den Hintern beißen, dass ich auf meine Eltern "gehört" habe und nicht die Ausbildung abgebrochen habe.
Ich finde sowas auch nicht richtig. Das System muss dringend geändert werden und wieder dem Menschen dienen, und nicht umgekehrt.
Claudia hat geschrieben:Der Vorteil von einem Studium für mich war, das wir viel interdisziplinär gearbeitet haben, was mir die Möglichkeit eröffnet hat, doch Einblicke in ganz andere Berufssparten zu bekommen. Da bin ich heute noch dankbar und hilft vielleicht noch einige Blickwinkel einzunehmen.
Jo, das war speziell beim Geschichtsstudium ebenfalls der Fall. In der Einführungsveranstaltung hieß es (sinngemäß): "Historiker bekommen einen Schuhkarton mit Unordnung vorgesetzt und müssen in der Lage sein, was draus zu machen."
Und das habe ich so auch aus dem Studium mitgenommen; ich habe dort gelernt, selbst Dinge in die Hand zu nehmen, mich selbst zu einem Experten über etwas zu machen, selbst zu recherchieren wie etwas funktioniert usw.. Das hilft mir in meinem beruflichen und auch privaten Alltag weiterhin ungemein.
LGBuddha hat geschrieben:Kein Businessplan - kein Bankkredit. Fakt! 70% aller Unternehmensgründer nutzen den
Businessplan kurze Zeit später nicht mehr trotz der durchkalkulierten Ertragsvorschau etc.
Eine Antwort gibt´s im 3. empfohlenen Buch weiter unten.
Die meisten Startups scheitern! Trotz dieses Businessplans. Macht euch das nicht stutzig?
Das ist ja eine ganze Menge Material, dass du mit uns teilst. Macht einen sehr interessanten Eindruck und ich werde mir das in einer ruhigen Minute sicher genauer ansehen.
LGBuddha hat geschrieben:Wenn euch mal bunte Zebras begegnen,
dann lest weiter - denn die Zebras gab es schon 2008.
Und ich dachte schon, der Satz endet so: "Wenn euch mal bunte Zebras begegnen, dann habt ihr zuviel geraucht"
Ein kleiner Spaß am Rande
LG DesdiNova