Ich mache mir immer wieder mal Gedanken darüber, was es für mich bedeutet, dass ich keine Geschwister habe, und wie dies meinen Lebensweg und meine Persönlichkeit beeinflusst hat und noch weiter beeinflussen wird.
Trotz einer Geburtenrate von weniger als zwei Kindern pro Frau gibt es hierzulande eigentlich gar nicht mal so viele Einzelkinder. In den Schulklassen wo ich z.B. war, da waren es höchstens so zehn Prozent. Und dann oft auch Kinder, wo die Eltern geschieden oder nie richtig zusammen waren und es dann z.B. noch Halbgeschwister oder Stiefgeschwister geben kann, also eigentlich dann doch keine richtigen Einzelkinder.
Ich denke auf jeden Fall, dass es mich insofern beeinflusst hat, da ich ja sowieso schon lange sozial isoliert war und auch keine Cousins oder Cousinen habe, die im gleichen Alter sind. Wobei, eine ist nur drei oder vier (?) Jahre jünger als ich, aber die wollte nie was von mir wissen, habe sie auch früher nur etwa einmal im Jahr gesehen und ein paar Jahre schon überhaupt nicht mehr, seit sie ihr eigenes Leben führt.
Wie ist das bei euch? Gibt es hier noch weitere Einzelkinder -oder solche, wo vielleicht zu vorhandenen Geschwistern ein wirklich großer Altersunterschied besteht (10 J. und mehr)?
Oder wie denkt ihr generell, dass sich dies auswirken kann, gerade auch zusätzlich noch unter dem Aspekt der Hochsensibilität?
Ich bin z.B. von Haus aus nicht diese ständigen Konflikte gewohnt, die manch andere Leute regelrecht zu brauchen scheinen, vielleicht weil es für sie so normal ist. Also zwischen mir und meinen Eltern gab es nichtsdestrotz Auseinandersetzungen, aber ich denke, wenn ich noch Geschwister hätte, wäre es da noch viel konfliktreicher zugegangen und man hätte viel öfter Kompromisse schließen müssen. Und es passt nun auch gut zu meiner sensiblen und introvertierten Wesensart, Konflikten aus dem Weg zu gehen und Orte oder Gruppen, in denen Konflikte enstehen, zu meiden- d.h. sehr viele.
Mir ist das z.B. auch in der Jugend deutlich geworden. Diese Zeit muss wohl für Kinder mit älteren, bereits pubertierenden Geschwistern ein weitaus geringerer „Kulturschock“ als für mich gewesen sein, da sie entsprechende Verhaltensweisen und diesen Teenager-Lebensstil schon von daheim aus kennen.
Bei mir ist dies wohl maßgeblich ein Grund dafür, wieso mir meine eigene Generation neutral gesagt äußerst fremd ist. Ich kann mich mit deren Denk- und Lebensweise kaum identifizieren.
Das gilt auch eigentlich auch für die Generation davor, also diese 80er/90er-Jahre-Generation.
Teilweise gehören meine Cousins und Cousinen dieser an. Zwei sind noch aus den siebzigern, mit denen bin ich eigentlich noch am besten zurechtgekommen, solange noch Kontakt bestand. Das waren halt auch immer Erwachsene für mich, und bekamen in meiner Kindheit dann auch schon selbst Kinder.
Bei dieser jüngeren Generation (80er/90er) dagegen herrscht z.B. ein Lebensstil vor, den ich weder leben wollte noch könnte : Alle paar Jahre ein anderer Job, ein anderer Wohnort und ein/e andere/r PartnerIn.
Dieser unverbindliche und unbeständige, unsichere Lebensstil war früher ja doch noch ungewöhnlich, und traf höchstens auf Jüngere mal für kurze Zeit zu, während der Ausbildung oder im Studium, wobei diese Zeit auch an sich immer länger dauert, aber besagtes trifft auch auf längst Ausgelernte zu.
Bei meiner eigenen Generation weiß man noch nicht ganz so genau, wie sich das entwickeln wird, einerseits wird irgendwie gesagt, es gäbe wieder ein größeres Bedürfnis nach Beständigkeit und Geborgenheit, andererseits könnte ich mir gut vorstellen, dass es in dieser „Generation Z“ sogar noch extremer wird, hinsichtlich einer Bindungslosigkeit in sozialer und lokaler Hinsicht.
Also bei mir war es so gelaufen, dass ich aufgrund meiner schulischen Außenseiterrolle und fehlenden nahen Verwandten gleichen Alters, anteilsmäßig sehr viel mit älteren Menschen zu tun hatte, z.B. mit Onkeln und Tanten (alle mind. Anfang 60), sowie meiner im letzten Jahr verstorbenen Oma, die jetzt quasi schon auf die Hundert zugehen würde.
Besonders bei ihr hat man doch zunehmend gemerkt, dass sie aus einer ganz anderen Zeit kommt, ihre frühe Kindheit lag noch in der Weimarer Republik und sie konnte sich auch noch an manches Erlebnis aus dieser Zeit erinnern, und hat mir auch manches noch ältere erzählt, was sie von ihren Eltern oder Großeltern schon erzählt bekam. Sie nannte mich z.B. oft ihren „Knecht“- heute weiß wohl kaum noch jemand, was ein Knecht überhaupt war. Früher scheint das zumindest dialektal eine Art liebevolle oder ironisierende Anrede für (junge) Männer gewesen zu sein.
Naja, auf jeden Fall hat mich dieser Kontakt auch in meiner struktur- und wertkonservativen Einstellung beeinflusst und in meinem Blick auf die heutige Zeit. Man merkt daran z.B., wie schnellebig die Gesellschaft geworden ist und wie stark sich die ganze Lebenswelt in den letzten Jahrzehnten verändert hat.
Und ich merke auch, dass ich, von anderen Faktoren mal abgesehen, auch eher mit Leuten auf einer Wellenlänge bin, die eher isoliert aufgewachsen sind, nicht allzu viel Verwandtschaft haben, keine oder wenige Geschwister, vorzugsweise in anderem Alter oder anderen Geschlechts.
Vielleicht gibt es hier ja Leute, die zu einem gewissen Grad ähnliche Erfahrungen gemacht haben oder die jemanden kennen, bei dem das so war.
Bei mir ist es natürlich schon etwas speziell, da ich zudem recht alte Eltern habe (wobei das die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass keine Geschwister mehr hinterherkommen ...) und immer recht isoliert wa, früher noch nicht so sehr wie heute, aber selbst zu meinen besten Zeiten immer ein Außenseiter war, und wo ich finde, dass diese Umstände dies ersten begünstigen und zweitens dies auch noch verstärken, sofern wirklich eine soziale Isolation eintritt.
Also ich finde es schwierig, mit meinem Hintergrund und meiner daraus auch resultierenden Prägung, Leute zu finden, die einen ähnlichen „Background“ haben, denn sofern dieser ganz anders aussieht, wird es schwierig...
Jetzt könnte man mir gleich noch vorwerfen zu „spoilern“ (ein Wort, was selbst meine Eltern nicht mehr kennen), aber, ich wollte demnächst auch noch einen anderen Thread schreiben, wo es um das Leben als Einzelgänger, und die Verbindung zu dem hier ist u.a., dass schon allgemein angenommen wird, Einzelkinder neigten auch verstärkt zum Einzelgängertum, was ich anhand von mir selbst schon mal bestätigen kann...