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Re: Gehört Unwohlsein & Gemecker zum normalen Leben dazu?




Hochsensibilität und Gesundheit, seelische Gesundheit, Sport, Ernährung und anderes

Re: Gehört Unwohlsein & Gemecker zum normalen Leben dazu?

Beitragvon songbird86 » So 5. Jul 2020, 00:09

Hey Leute,

ich wusste nicht so recht, wie ich den Thread benennen sollte, aber ich habe das Bedürfnis, was zu schreiben...

Ich frage mich des öfteren, ob man sich in der Erwachsenenwelt damit zufrieden geben musst, dass man keinen Bock auf seine Arbeit hat und es dort Leute gibt, die immer meckern... Mein Vater würde dazu jetzt sagen: "Andere kochen auch nur mit Wasser!"

Oft bin ich an Sonntagen depressiv verstimmt, wenn ich daran denke, wieder zur Arbeit zu müssen. Manchmal geht es mir schon am Freitag schlecht, bevor ich das Wochenende überhaupt angefangen habe.

Diese Woche war es wirklich anstrengend, weil ich wegen Kurzarbeit und Urlaub alleine bin und plötzlich viel zu tun ist. Am Mittwoch ging es mir sehr schlecht und hatte Abends einen kleinen Nervenzusammenbruch und musste viel weinen. Donnerstag und Freitag war ich zum Glück wieder wie ausgewechselt.

Der Grund dafür ist, dass ich entweder ein Problem mit mir habe, das ich noch verarbeiten muss oder aber ich passe einfach nicht in den Job. Oder beides. Das wird dann verstärkt, wenn es so eine Situation ist wie jetzt gerade (Urlaubszeit, viel zu tun...).

Erst durch die Kurzarbeit ist mir aufgefallen, wie schlecht es mir geht. Denn an den freien Tagen habe ich angefangen, das erste Mal nach Monaten/Jahren wieder aufzublühen und sogar zu zeichnen. Vor allem wenn noch Feier- oder Urlaubstage mit dran waren, so dass man einfach mal 1 Woche zu Hause geblieben ist.
Wenn ich nun daran denke, dass die Kurzarbeit irgendwann mal aufhört, könnte ich heulen. Auch jetzt gerade, weil ich noch 3 Wochen durchhalten muss, bis ich wegen Urlaub meiner Kollegin wieder kurz machen darf. Plötzlich war alles wieder beim Alten. Ich mache nichts mehr zu Hause, ich bin nur noch am Pennen.

Das andere Thema ist, dass es Leute gibt, die einfach schon seit etlichen Jahren oder gar Jahrzenten so unzufrieden sind, dass sie ständig über alles und jeden meckern oder zumindest immer irgendeine Bemerkung machen müssen. Nicht mal gegen mich, es reicht schon, wenn ich es nur mitbekomme, wenn es um andere geht. Da ich eh schon unzufrieden bin, weil ich glaube, dass der Job nicht zu mir passt, bestärken mich solche Sachen irgendwie noch mehr, zu kündigen. In meiner Abteilung vertragen wir uns alle, deshalb ärgert es mich so, dass welche aus anderen Abteilungen, mit denen ich eigtl weniger zu tun habe, einem so die Laune verderben können.

Diese beide Meckerkandidaten, von denen ich rede, haben auch schon anderen durch die Blume gesagt, wie doof wir sind. Meistens geht es gegen meine Kollegin. Ich denke mal nicht, dass ich da ausgeschlossen bin, nur weil sie mich schon anderweitig länger kennen. Dadurch bekommt man unterschwellig das Gefühl, einfach zu doof zu sein und immer alles falsch zu machen.

In meiner alten Arbeit war es eher so, dass so 'ne Unzufriedenheit eher in einer anderen Abteilung stattgefunden und man das nicht so mitbekommen hat. Nach einem Inhaberwechsel wurde das aber schlagartig anders, weil dann plötzlich die Leute, die vorher ganz klein waren, mehr in den Vordergrund gerückt sind und so kam es auch bis zu mir durch. Teilweise auch Mobbing gegen Kollegen (z. B. Rassismus und einfach unfaire Sachen) und den Chef hat es gar nicht interessiert. Deshalb bin ich dann da auch weggegangen.

Ist das normal, wenn man erwachsen ist? Muss man sich in der Erwachsenen-Arbeitswelt damit zufrieden geben? Bin ich naiv, wenn ich denke, es könnte etwas Besseres für mich geben?

Keine Ahnung, ob der Thread Sinn macht, aber ich sende ihn einfach mal ab... :sleep:
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Re: Gehört Unwohlsein & Gemecker zum normalen Leben dazu?

Beitragvon Claudia » So 5. Jul 2020, 10:48

Hallo songbird86!

Leider habe ich heute nicht viel Zeit auf Deinen Beitrag einzugehen.

Aber jetzt mal eine Frage: Wenn Du tun und lassen dürftest was Du willst, was würdest Du dann machen? (Es gibt keine finanziellen Probleme, Du bist wirklich völlig frei!) :sun:
Herzliche Grüsse!
Claudia
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Re: Gehört Unwohlsein & Gemecker zum normalen Leben dazu?

Beitragvon songbird86 » So 5. Jul 2020, 11:49

Danke, dass du meinen Thread geändert hast. :>

Ich habe gefühlt schon das ganze Internet durchgelesen, welche Jobs für Introvertierte und Sensible passen. Ich überlege also schon sehr lange.

Wenn es nach meiner Traumwelt ginge, möchte ich im Großen und Ganzen eher für mich und nicht so sehr körperlich präsent sein. Z. B. Selbstständig von zu Hause arbeiten (z. B. Onlineshop oder grafische Dienstleistungen), aber das kann ich knicken. Ich könnte auf einen Teil meines jetzigen Gehaltes locker verzichten, wenn ich dadurch mehr zu Hause und glücklicher wäre, aber es müsste ein bestimmtes Einkommen sein und das kann man bei Selbstständigkeit ja nicht beeinflussen.

Ich hatte in den letzten 2 Jahren auch keine zündende Idee, daher suche ich natürlich auch parallel Jobs, wo man angestellt ist.
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Re: Gehört Unwohlsein & Gemecker zum normalen Leben dazu?

Beitragvon Claudia » So 5. Jul 2020, 12:24

songbird86 hat geschrieben:
Ich habe gefühlt schon das ganze Internet durchgelesen, welche Jobs für Introvertierte und Sensible passen.


Da würde ich nicht gucken, was allgemein paßt, sondern was für Dich paßt. Abstriche wirst Du da auch machen müssen.

Oft sind es ja Tätigkeiten am Menschen bzw. mit Menschen, wenn ich das richtig verstanden habe.

Ich würde erstmal eine Liste machen, was Du im Job "gerne haben" möchtest und dann weitersehen. Solche Aufstellungen helfen (mir) ganz gut.

Du könntest Dir auch erstmal eine Teilselbständigkeit neben dem Job aufbauen und gucken wie es läuft. Aber Vorsicht: Da mußt Du auch Kunden akquirieren.
Herzliche Grüsse!
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Re: Gehört Unwohlsein & Gemecker zum normalen Leben dazu?

Beitragvon songbird86 » So 5. Jul 2020, 12:48

Claudia hat geschrieben:
songbird86 hat geschrieben:Ich habe gefühlt schon das ganze Internet durchgelesen, welche Jobs für Introvertierte und Sensible passen.

Da würde ich nicht gucken, was allgemein paßt, sondern was für Dich paßt. Abstriche wirst Du da auch machen müssen.

Das weiß ich, es war ja nur zur Hilfe gedacht, da es evtl. auch Berufe gibt, die ich noch gar nicht kenne.

Claudia hat geschrieben:Du könntest Dir auch erstmal eine Teilselbständigkeit neben dem Job aufbauen und gucken wie es läuft. Aber Vorsicht: Da mußt Du auch Kunden akquirieren.

Wie schon gesagt, in den letzten 2 Jahren hatte ich leider noch keine Idee, was ich überhaupt parallel zum normalen Job machen könnte. Genau das hatte ich mir nämlich auch so vorgestellt, da ich die ersten 3 Monate noch in Teilzeit war, aber dann bin ich schon ganz schnell in Vollzeit und vor 'nem halben Jahr auch in eine Festanstellung übergegangen. Normalerweise hätte ich jetzt noch August als Deadline, um dann evtl. wieder rauszukommen.

Andere würden sich freuen, sowas (gerade in der heutigen Zeit) zu haben und mir tut man keinen Gefallen damit. :denk: :kopfklatsch:

Das mit der Liste klingt gut.

Dieser Thread soll aber nicht nur eine Hilfe für mich sein, welcher Job zu mir passt, sondern beinhaltet auch noch die Frage, ob das, was ich da so empfinde, einfach normal ist und es dann eben so ist oder ob ich mich mit sowas nicht zufrieden geben muss...
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Re: Gehört Unwohlsein & Gemecker zum normalen Leben dazu?

Beitragvon Claudia » So 5. Jul 2020, 13:17

songbird86 hat geschrieben:Dieser Thread soll aber nicht nur eine Hilfe für mich sein, welcher Job zu mir passt, sondern beinhaltet auch noch die Frage, ob das, was ich da so empfinde, einfach normal ist und es dann eben so ist oder ob ich mich mit sowas nicht zufrieden geben muss...

Zufrieden geben muß man sich ja nie! :mrgreen:
Ansonsten finde ich diesen Jobfrust auch normal.
Das Problem ist jetzt, dass ich mich überhaupt nicht mit Introvertiertheit auskenne und was da charakteristisch ist.

Mir ist da noch das "BIZ" eingefallen, da geht man ja als Jugendlicher auch mal zur Berufsberatung. Und ich meine, da gibt es online auch so eine Art Test- ist es ja nicht wirklich- wo man dann am Schluß Hinweise zu "geeigneten" Berufen bekommt.

Ansonsten würde ich auch mit Freunden sprechen, die kennen Dich mit am besten. Eltern würde ich da nicht mehr heranziehen, weil die den Blick auf das Kind oft nicht dahin hinbekommen einen erwachsenen Menschen zu sehen. Das fiel mir gerade ein weil Du von Deinem Vater schriebst. Ab einem gewissen Alter hat man dann doch andere Ansprechpartner.
Herzliche Grüsse!
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Re: Gehört Unwohlsein & Gemecker zum normalen Leben dazu?

Beitragvon DesdiNova » So 5. Jul 2020, 17:51

Hi songbird86,

das ist schon ein großes Thema was du hier aufgemacht hast, wo es keine einfachen Antworten gibt.

songbird86 hat geschrieben:Wenn ich nun daran denke, dass die Kurzarbeit irgendwann mal aufhört, könnte ich heulen. Auch jetzt gerade, weil ich noch 3 Wochen durchhalten muss, bis ich wegen Urlaub meiner Kollegin wieder kurz machen darf. Plötzlich war alles wieder beim Alten. Ich mache nichts mehr zu Hause, ich bin nur noch am Pennen.


Was natürlich auffällt, und ich hoffe ich trete dir damit nicht zu nahe, du hast jetzt über einen langen Zeitraum hinweg immer wieder geäußert, dass dein Job dich regelrecht krank macht. Du hast ja auch schon viele Antworten bekommen, dass es nicht gesund ist, solche Warnsignale deines Körpers zu ignorieren.

Ich bekomme den Eindruck, das Einzige was dich wirklich bei der Stange hält, ist die Garantie einen festen Job zu haben. Und da habe ich meine Zweifel, ob das ein Fundament ist, wo man auf Dauer drauf aufbauen sollte.

So ziemlich jeder Job hat auch seine Kehrseiten, aber wenn es wenig-nichts gibt, was dir auch gut daran gefällt, dann stehst du eigentlich nur mit den Nachteilen da.

songbird86 hat geschrieben:Ich frage mich des öfteren, ob man sich in der Erwachsenenwelt damit zufrieden geben musst, dass man keinen Bock auf seine Arbeit hat und es dort Leute gibt, die immer meckern... Mein Vater würde dazu jetzt sagen: "Andere kochen auch nur mit Wasser!"


Wir hatten in der Ausbildung einen Dozenten, bei dem wir die DIN EN ISO 9001 besprochen haben. Eine ganze Woche lang hatten wir nur mit diesem Herren Unterricht. Und der hat bei uns allen einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Der hat seinen Job geliebt, das hat man gemerkt. Wir haben bei ihm auch viele Videos geguckt, über den Umgang miteinander in der Arbeitswelt usw.. Und er hat das auch einmal wirklich in Frage gestellt, wie kann das sein, dass sehr viele Leute am Sonntag oder Montag aufstöhnen und am Freitag dann ohne Ende abfeiern.

Die Woche hat 7 Tage. 5 Tage davon sollen einfach nur unangenehm sein? Das kann es doch nicht sein. Mich hat er absolut zum Nachdenken gebracht, das Nachdenken dauert auch bei mir immer noch an :shy: Ich hab jetzt auch so manche Option für die Zukunft auf dem Tisch liegen und weiß einfach noch nicht was ich auf Dauer machen will. Vielleicht ist aber auch genau das mein Ding, alle paar Jahre mal was neues zu machen? So richtig entschlossen habe ich mich noch nicht. Das gehört aber in einen anderen Thread, den ich vlt bald eröffnen werde.
Stand jetzt habe ich viele Seiten an meinem Job, die mir sehr gut gefallen, wie die Abwechslung, die Bewegung, viele interessante Menschen kennenlernen zu dürfen, Verkaufsgespräche führen usw..

songbird86 hat geschrieben:Das andere Thema ist, dass es Leute gibt, die einfach schon seit etlichen Jahren oder gar Jahrzenten so unzufrieden sind, dass sie ständig über alles und jeden meckern oder zumindest immer irgendeine Bemerkung machen müssen. Nicht mal gegen mich, es reicht schon, wenn ich es nur mitbekomme, wenn es um andere geht.


Dieses Thema beschäftigt mich auch immer wieder und ich bin da leider noch zu keiner zufriedenstellenden Lösung gekommen.

Die kurze Variante: Diesen Ärger wirst du in jedem Job haben, wo du nicht völlig isoliert von anderen Menschen arbeitest. Und selbst dann hat man den Ärger noch im Privatleben. Ich glaube inzwischen, man kann dem nicht entkommen, nur entziehen, aber nicht völlig aus dem Wege gehen.

Menschen sind leider so. Momentan ist das gesellschaftliche Klima auch besonders aggressiv. Das wird beispielweise im Straßenverkehr sichtbar. Ständig wird gehupt, gestikuliert, gerast und geschimpft. Es ist manchmal schwer, sich davon nicht anstecken zu lassen. Ein klein wenig Road Rage gehört beim Autofahren wohl leider auch dazu, aber es wird echt immer schlimmer, so meine Beobachtung.

Dann sind viele Menschen so extrem ungeduldig und egoistisch. Ich arbeite ja im Einzelhandel, du glaubst gar nicht, was ich da jeden Tag so erlebe. Die letzten zwei Wochen waren besonders schlimm. Normalerweise geht mein Chef immer mit guter Laune vorran, um uns zu motivieren, es ist ganz selten, das er sich mal über Kunden aufregt. Doch in den letzten zwei Wochen hat er sich gleich zweimal richtig aufgeregt, weil die Leute ihn so blöd angemacht haben. Ich muss dazu sagen, er ist wirklich der freundlichste Mensch, den man sich vorstellen kann.

Und das sind nicht nur meine Erfahrungen. Inzwischen kenne ich die anderen Bediensteten im Einkaufscenter ganz gut (natürlich nicht alle, das wären viel zu viele), ob jetzt die Security oder die anderen Verkäufer/innen.
Es ist unglaublich, wie die Kunden teilweise mit anderen Menschen umgehen. Eine Frau von der Bäckerei ist diese Woche von einem Kunden wie ein Fußabtreter behandelt worden. Er wollte ein Brot kaufen, die Dame fragt ob sie es ihm schneiden soll, was er bejaht. Dann schneidet sie das Brot, packt es ein und legt es ihm auf den Tresen. Dann rümpft er die Nase, ob sie denn nicht die Hygienevorschriften kenne und ist gegangen, ohne das Brot zu kaufen. Die Damen in der Bäckerei tragen Handschuhe und Mundschutz, wohlgemerkt. Das war reine Schikane, mal einmal auf anderen rumtrampeln, schrecklich sowas.

Wenn ich nicht die Rückendeckung von meinem Chef hätte, würde ich auf keinen Fall im Einzelhandel arbeiten wollen. Bei uns gibt es die einfache Regel: "Der Kunde ist König, solange er sich königlich benimmt." Wer sich nicht zivilisiert verhalten kann, wird nicht mehr bedient und bekommt bei Wiederholung Hausverbot. Woanders, vor allem bei den großen Ketten, müssen die Angestellten in vielen Fällen solche seelischen Misshandlungen über sich ergehen lassen.

Es ist immer wieder ein Ärgernis; es ist jetzt aber nicht so, dass es in dem Industriebetrieb wo ich meine Ausbildung gemacht habe, irgendwie großartig anders gewesen wäre. Ich war tatsächlich schon in mehreren großen Firmen tätig, auch vor der Ausbildung, als Werkstudent. So Hick-hack unter Kollegen gibt es leider überall, wo mehr als ein paar dutzend Leute zusammen kommen. Tiefpunkt war für mich mitanzusehen, wie manche Kollegen in der Versandabteilung mit auswärtigen Lastwagenfahrern umgesprungen sind. Ich war dann zu den Fahrern dafür immer extra nett.

LG DesdiNova
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Re: Gehört Unwohlsein & Gemecker zum normalen Leben dazu?

Beitragvon Doro » So 5. Jul 2020, 18:10

Ich bin neben HSP auch eher introvertiert. Du darfst als HSP nicht vergessen, dass wir viel länger brauchen, um alles zu verarbeiten. Dadurch sind wir auch schneller überfordert und ausgelaugt. Jedenfalls ist es bei mir so.

Ich habe auf Druck meiner Eltern Einzelhandelskauffrau gelernt, war aber nicht glücklich damit. Dauernd Menschen um einen herum, und immer schön lächeln. Mit Mitte/Ende 20 J. bin ich ins Büro gerutscht. Heute eher undenkbar als Ungelernte. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich viele VHS Kurse besucht habe. Die Kurse und öftere Firmenwechsel haben dazu beigetragen, dass ich später Bewerbungen als Bürokauffrau/Sekretärin/Finanzbuchhalterin und Lohn- und Gehaltsbuchhalterin schreiben konnte. Was ich mal gelernt hatte, hat später niemanden mehr interessiert. Die Arbeitgeber schauen dann, was ich die letzten Jahre gemacht habe. Nur mein miserabler Lebenslauf wurde hinterfragt, worauf ich gute Antworten parat hatte.

Ich habe ja erst mit Anfang 50 erfahren, dass ich eine HSP bin. Mit 51 J. hatte ich zum ersten mal ein Einzelbüro. Das war genau mein Ding.

Frust auf der Arbeit kenne ich auch zur genüge. Mir persönlich ist extrem aufgefallen, dass das Arbeiten früher viel angenehmer war (70-er, 80- er Jahre). Die Arbeitgeber waren viel netter und haben für ein angenehmes Arbeitsklima gesorgt.

Meinen schönsten Job hatte ich mit Mitte 40 im Büro als Alleinsekretärin im Baugewerbe. Ich hatte einen super netten Azubi mit im Zimmer, ansonsten auch nur Männer. Vielleicht lag es am Chef, dass die Männer mich anständig behandelt haben; respektvoll.
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Re: Gehört Unwohlsein & Gemecker zum normalen Leben dazu?

Beitragvon Airwood » Mo 6. Jul 2020, 16:58

Claudia hat geschrieben:
songbird86 hat geschrieben:
Ansonsten würde ich auch mit Freunden sprechen, die kennen Dich mit am besten. Eltern würde ich da nicht mehr heranziehen, weil die den Blick auf das Kind oft nicht dahin hinbekommen einen erwachsenen Menschen zu sehen. Das fiel mir gerade ein weil Du von Deinem Vater schriebst. Ab einem gewissen Alter hat man dann doch andere Ansprechpartner.

Bei den letzten Klassen- und Abi-Treffen ist mir nochmals aufgefallen, dass so viele ehemalige Klassenkameraden von ihren Eltern emotional (und finanziell) abhängig sind, dass sie indirekt leiden, es baer gar nicht so genau wahrnehmen. Mit Mitte 40!!! :devil: Aber sie ändern nichts, sondern suchen sich neues Publikum, das sich das anhört und dann ist kurzfristig der Frust weg, wenn dann zu späterer Stunde ausgepackt wird. Nach außen sieht alles toll aus - Familie, Haus, Hund, Boot und dieser ganze Wohn- und Wahnsinn, aber seit Jahren dieselben Abhängigkeiten plus Betrug durch den Ehepartner durch nichtverarbeitete Probleme und scheinbare Langeweile sowie Machtspielchen und gestörte Kommunikation in der eigenen Familie.... :mrgreen:

Nichts bremst mehr, als die Abhängigkeit von der Meinung anderer Menschen. :razz:

Auch wenn ich die lange Ausführung DesdiNovas teile, finde ich die Zusammenfassung gerade passend:
DesdiNova hat geschrieben:Die kurze Variante: Diesen Ärger wirst du in jedem Job haben, wo du nicht völlig isoliert von anderen Menschen arbeitest. Und selbst dann hat man den Ärger noch im Privatleben. Ich glaube inzwischen, man kann dem nicht entkommen, nur entziehen, aber nicht völlig aus dem Wege gehen.

Es liegt an einem selbst, man sollte aktiv etwas ändern, denn andere ändern sich nicht. Wenn sie auf Schuldmädchenniveau lästern und mobben, dann kann man für sich einen Weg suchen, es anders zu halten. Ein Jobwechsel alleine genügt zwar nicht, aber vielleicht genau überlegen, warum an in diesem Job gelandet ist, der einem neben diesem Alltagswahnsinn keinen Sinn gibt.
Es gibt Sonne und Sonne. Manchmal auch Schatten, Mond und Sterne.
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Re: Gehört Unwohlsein & Gemecker zum normalen Leben dazu?

Beitragvon DesdiNova » Mo 6. Jul 2020, 22:58

Airwood hat geschrieben:Nichts bremst mehr, als die Abhängigkeit von der Meinung anderer Menschen. :razz:


:zustimm:

Airwood hat geschrieben:Es liegt an einem selbst, man sollte aktiv etwas ändern, denn andere ändern sich nicht.


Genau so ist es. Man selbst kann nur seinen Umgang mit negativen Menschen ändern, nicht aber die Menschen selbst. Die anderthalb Jahre, die ich jetzt im Einzelhandel bin, sind für mich wie eine Lehrschule in solchen Dingen gewesen. Nirgendwo sonst kann man so gut seine innere Gelassenheit trainieren :mrgreen: (außer vielleicht in der Gastronomie ;) )

Für mich ist es trotzdem so, dass es keine Möglichkeit gibt ALLEN blöden Situationen mit den lieben Mitmenschen dauerhaft und zuverlässig aus dem Weg zu gehen. Selbst wenn es nicht auf der Arbeit oder im Privatleben ist, es gibt einfach Schnittstellen und Berührungspunkte mit der Gesellschaft, ob es jetzt bei der Lieferung an der Haustür, beim Spazierengehen oder im Straßenverkehr ist.

Irgendwie gehört das ja auch zum Leben mit dazu. Ich bin schon jemand, der sich besonders krasse Situationen dann zu Herzen nimmt; ich denke das ist auch einfach menschlich und nichts was man sich abtrainieren muss.

Allgemein zu Stress sei noch gesagt, dass es verschiedene Arten von Stress gibt. Nicht jeder Stress muss schlimm sein für die Gesundheit.

Hat man einen stressigen Tag, an dem viel zu tun ist und man an seine Reserven gehen muss, abends aber alles geklärt ist (oder spätestens nach einigen Tagen), dann kann das als positiver Stress bezeichnet werden.

Anders kann das aussehen, wenn der Stress scheinbar kein Ende nimmt und sich die stressauslösende Situation auf lange Sicht nicht lösen lässt. Irgendwann kreisen die Gedanken dann nur noch um diesen Druck und das ist dann negativer Stress, der psychisch und körperlich krank macht. Das endet dann z.B. in Erschöpfungsdepression ("Burnout") oder sogar körperlichen Krankheiten (Magengeschwüre, Rückenschmerzen, Herz-Kreislauferkrankungen usw.)

Eine prägnante Seite habe ich dazu hier gefunden (vom Universitätsklinikum Giessen):
https://www.ukgm.de/ugm_2/deu/ugi_pso/17813.html

Dort wird das mit Alarmphase, Widerstandsphase und Phase der Erschöpfung noch besser beschrieben und auch grafisch dargestellt.

@songbird86: Wenn ich dich nochmal persönlich ansprechen darf, den Link solltest du dir wirklich mal aufmerksam durchlesen und deine Situation unbedingt auch mit deinem Arzt durchsprechen (Arztbesuche sind inzwischen wieder gut durchführbar, habe am Mittwoch selbst eine umfassende Vorsorgeuntersuchung).

In dem Link werden auch Stressbewältigungsstrategien angesprochen; mit meinem Psychologen habe ich Autogenes Training "erlernt", was mir bereits in sehr stressigen Phasen geholfen hat. Muskelrelaxation nach Jacobson hat bei mir hingegen nie den großen Erfolg gebracht. Da muss jeder einfach für sich ausprobieren, was zu einem passt.
DesdiNova
 

Re: Gehört Unwohlsein & Gemecker zum normalen Leben dazu?

Beitragvon songbird86 » Mi 8. Jul 2020, 00:05

Hey DesdiNova,

danke für deine Antworten!

DesdiNova hat geschrieben:Ich bekomme den Eindruck, das Einzige was dich wirklich bei der Stange hält, ist die Garantie einen festen Job zu haben. Und da habe ich meine Zweifel, ob das ein Fundament ist, wo man auf Dauer drauf aufbauen sollte.

Natürlich ist der Gedanke, zu kündigen und frei zu sein, erstmal richtig toll. Aber ich muss ja auch was Neues finden. Mein Bruder sucht schon seit 'nem halben Jahr und wegen Corona, Kurzarbeit usw aktuell ist es noch schwerer.

Eine Entscheidung zu fällen ist so schwer und zieht sich über Monate, weil ich nicht weiß, was wirklich mein Problem ist. Ich möchte für alles immer den genauen Grund vorher herausfinden. Beispiel: ich kündige, weil ich denke, der Job ist nichts für mich und später erfahre ich, dass es mir woanders IMMER so gehen würde. Bedeutet: ich hätte dann auch da bleiben können, wo ich jetzt bin, da wenigstens Geld, Arbeitszeit und Entfernung stimmen. Wenn ich einmal raus wäre, wäre es mir peinlich, zurückzukommen (wenn es überhaupt möglich wäre, weil meine Stelle dann vllt schon wieder besetzt wurde). Ich weiß nicht, ob es ein Vor- oder Nachteil von mir ist, dass ich immer 10000 %-ig sicher sein will, bevor ich etwas tue.

Deshalb mag ich es auch nicht, irgendwelche Unzufriedenheiten im Job anzusprechen, "weil sich das ja vllt wieder legt". Mir ist es dann immer so peinlich, wenn ich ein Fass aufgemacht habe und am Ende ist gar nichts. Hinzu kommt, dass ich mir unbewusst immer so viele Gedanken mache, was andere sagen/denken.

Das ist glaub ich meine größte Hürde im Leben.

Daher auch die Frage... Ist das das normale Leben? Geht das jetzt bis zur Rente so weiter? Vielleicht habe ich auch schon zu oft "Stell dich nicht so an"-mäßige Sprüche gehört, weshalb ich weiter aushalte und funktioniere. Aber wenn ich so im Internet stöbere, ist Arbeiten für viele ein notwendiges Übel, womit kaum einer richtig zufrieden ist.

Es ist schon komisch, dass ich es früher schade fand, kaum Urlaub machen zu können und krank sein eine Sünde war (weil ich an meinem alten Arbeitsplatz alleine für alles zuständig war). Nun habe ich die Freiheiten und bin wieder nicht zufrieden, weil ich mich nicht dazugehörig fühle.


DesdiNova hat geschrieben:Die Woche hat 7 Tage. 5 Tage davon sollen einfach nur unangenehm sein? Das kann es doch nicht sein. Mich hat er absolut zum Nachdenken gebracht, das Nachdenken dauert auch bei mir immer noch an :shy:

Schön zu hören, dass andere auch über so etwas nachdenken. :>


DesdiNova hat geschrieben:Ich hab jetzt auch so manche Option für die Zukunft auf dem Tisch liegen und weiß einfach noch nicht was ich auf Dauer machen will. Vielleicht ist aber auch genau das mein Ding, alle paar Jahre mal was neues zu machen?

Finde ich an sich nicht schlimm, wenn man den Beruf öfter wechselt und was Neues kennenlernt. Wenn ich mir so manche Kollegen ansehe, die noch nie in einer anderen Firma gearbeitet haben und rumnörgeln, täte denen das sicherlich auch mal ganz gut. :mrgreen:
Ich bin da eher so, dass ich gerne etwas beibehalte und so laufen lasse, wenn es gut ist. Das merke ich auch jetzt bei der Softwareumstellung auf Arbeit.


DesdiNova hat geschrieben:Dann sind viele Menschen so extrem ungeduldig und egoistisch. Ich arbeite ja im Einzelhandel, du glaubst gar nicht, was ich da jeden Tag so erlebe.
[...]
Es ist unglaublich, wie die Kunden teilweise mit anderen Menschen umgehen.
[...]
Tiefpunkt war für mich mitanzusehen, wie manche Kollegen in der Versandabteilung mit auswärtigen Lastwagenfahrern umgesprungen sind. Ich war dann zu den Fahrern dafür immer extra nett.

Sowas finde ich auch unmöglich. Ich stelle mir immer vor, wie es wäre, wenn ich an deren Stelle wäre und evtl. unter Stress gerate, weil etwas nicht klappt (z. B. im Supermarkt an der Kasse). Manche rufen dann ja schon nach kurzer Zeit: "Können Sie mal 'ne zweite Kasse aufmachen???" Das ist mir manchmal richtig unangenehm. Natürlich kann man das fragen (auch wenn ich der Meinung bin, dass die Angestellten dafür verantwortlich sind, das zu entscheiden), aber in was für einem Ton das manche machen...


DesdiNova hat geschrieben:Anders kann das aussehen, wenn der Stress scheinbar kein Ende nimmt und sich die stressauslösende Situation auf lange Sicht nicht lösen lässt. [...] Das endet dann z.B. in Erschöpfungsdepression ("Burnout") oder sogar körperlichen Krankheiten (Magengeschwüre, Rückenschmerzen, Herz-Kreislauferkrankungen usw.)

Ich habe mittlerweile einige Symptome, die ich vorher noch nie so hatte wie jetzt. Zähneknirschen/-beissen, gelegentlichen Tinnitus durch HWS-Syndrom, Magenschleimhautentzündung, starke Müdigkeit...
(also alles, bis auf die Müdigkeit, nicht durchgehend! Aber wiederkehrend...)


DesdiNova hat geschrieben:Wenn ich dich nochmal persönlich ansprechen darf, den Link solltest du dir wirklich mal aufmerksam durchlesen und deine Situation unbedingt auch mit deinem Arzt durchsprechen.

Mein Arzt weiß da schon Bescheid und ich sollte auch mal einen Therapeuten aufsuchen. Ich habe schon mehrere Versuche gestartet und bin auch zu den Erstgesprächen gegangen, doch dann hatte ich schon gleich das Gefühl, alleine klar zu kommen (weil die Gespräche alleine schon inspirierend waren), aber auch, weil es mich genervt hat, immer wieder das Gleiche zu erzählen und durchzukauen (meine erste Therapie hatte ich 2009). Ich weiß, dass das nicht richtig ist...
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Re: Gehört Unwohlsein & Gemecker zum normalen Leben dazu?

Beitragvon Claudia » Mi 8. Jul 2020, 09:45

songbird89, ich würde an Deiner Stelle jetzt mal den Weg gehen angefangen von einer ärztlichen Untersuchung bis hin zur Psychotherapie. Und es wird wahrscheinlich auch kein leichter Weg!
Herzliche Grüsse!
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Re: Gehört Unwohlsein & Gemecker zum normalen Leben dazu?

Beitragvon Airwood » Mi 8. Jul 2020, 12:36

songbird86 hat geschrieben:Hey DesdiNova,

danke für deine Antworten!

DesdiNova hat geschrieben:Ich bekomme den Eindruck, das Einzige was dich wirklich bei der Stange hält, ist die Garantie einen festen Job zu haben. Und da habe ich meine Zweifel, ob das ein Fundament ist, wo man auf Dauer drauf aufbauen sollte.

Natürlich ist der Gedanke, zu kündigen und frei zu sein, erstmal richtig toll. Aber ich muss ja auch was Neues finden. Mein Bruder sucht schon seit 'nem halben Jahr und wegen Corona, Kurzarbeit usw aktuell ist es noch schwerer.

Eine Entscheidung zu fällen ist so schwer und zieht sich über Monate, weil ich nicht weiß, was wirklich mein Problem ist. Ich möchte für alles immer den genauen Grund vorher herausfinden. Beispiel: ich kündige, weil ich denke, der Job ist nichts für mich und später erfahre ich, dass es mir woanders IMMER so gehen würde. Bedeutet: ich hätte dann auch da bleiben können, wo ich jetzt bin, da wenigstens Geld, Arbeitszeit und Entfernung stimmen. Wenn ich einmal raus wäre, wäre es mir peinlich, zurückzukommen (wenn es überhaupt möglich wäre, weil meine Stelle dann vllt schon wieder besetzt wurde). Ich weiß nicht, ob es ein Vor- oder Nachteil von mir ist, dass ich immer 10000 %-ig sicher sein will, bevor ich etwas tue.


Wenn du kündigst, gibt es eine Sperrzeit. Nur wenn man gut verdient, hat man doch sicher etwas angespart um ein paar Wochen zu überbrücken? Wer eine eigene Wohnung hat, muss vielleicht etwas Hausgeld zahlen, aber bei einem Job mit gutem Verdienst dürfte das alles kein Problem sein. Auch als Mieter nicht. Man kann sich sowohl im Netz als auch bei dem Arbeitsamt selbst informieren, wie es rechtlich aussieht. Wenn alle Stricke reißen, kann man sich auch krank schreiben lassen und eine Sperrzeit umgehen bzw. verkürzen - aber dafür muss man sich erst einmal informieren und selbst aktiv werden, wenn man wirklich etwas ändern will.
Eine ehemalige Freundin hat ein ähnliches Problem wie du, aber das hat sie seit über 20 Jahren und irgendwann wollte niemand mehr zuhören, weil es sich immer wiederholte und ihre Unzufriedenheit niemand mehr ertragen wollte, weilo es irgendwann kein Austausch mehr war, sondern immer dasselbe und runterzog, obwohl alle Tipps gaben. Das ist übrigens der Grund, warum ich nur noch wenige Tipps und Reaktionen habe, weil sich manche Themen meines Erachten im Kreis drehen und ich im Leben schon so oft solche Probleme gehört habe.
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Re: Gehört Unwohlsein & Gemecker zum normalen Leben dazu?

Beitragvon DesdiNova » Mi 8. Jul 2020, 16:42

Hi songbird86,

ich möchte meinen Post damit einleiten, dass ich nicht von dir erwarte, dass du alles liest was ich so schreibe und du mir auch keine Antwort schuldig bist.

Ich sag' das jetzt extra, weil ich noch weiß, wie es mir zu Beginn der Corona-Krise ging. Da war ja auch bei mir absolute Ausnahmesituation, unser Geschäft war neben drei anderen (wie z.B. Apotheke und Drogerie) mit das Einzige, was in der gesamten Shopping Mall noch geöffnet hatte.

Jedenfalls war das sowohl körperlich von der Erschöpfung her (mehrere Arbeitskräfte sind weggebrochen) als auch psychisch eine Ausnahmesituation. Und dann kamen noch die Ratschläge von Freunden/Familie und auch von Usern im alten Forum. Ich weiß, alle haben das nur gut gemeint und ich bin da auch super dankbar für. In dem Moment war es tatsächlich aber auch ein zusätzlicher Stressfaktor, sich nach der Arbeit noch in lange Telefongespräche verwickelt zu sehen oder lange Forenbeiträge zu schreiben.

Also denk' in erster Linie nun an Dich und wie du deine Arbeitstage bewältigst. Ich bin dann nicht böse, wenn keine Antwort kommt oder erst in einiger Zeit!

Das ist übrigens auch so ein Ding, ich habe mit der Zeit gelernt, mich zwischendurch z.B. bei Partyabenden auch mal zurückzuziehen, wenn ich geschafft war, und dafür den anderen die Gestaltung des Abends zu überlassen und mehr passiv zu genießen. Viele Menschen freuen sich auch darüber, wenn jemand wirklich mal zuhört und in dem Moment spare ich mir dann die Kraft.

Das funktioniert bei der Arbeit mit Kunden auch. Wenn ich gut drauf bin, gebe ich Vollgas und gehe bei Verkaufsgesprächen voll auf das Gegenüber ein, Humor wirkt auch Wunder. Wenn ich mal etwas geschafft bin, versuche ich dann eher den Kunden aus der Reserve zu locken und quasi seine Energie zu nutzen. Ok, das klingt jetzt mehr nach einem Parasiten als nach einem Verkäufer^^
Es wirkt auf jeden Fall manchmal Wunder, einfach mal weitgehend den passiven Part zu übernehmen. Passiv heißt jetzt natürlich nicht, steif wie eine Statue, sondern z.B. Redeanteile zurückfahren.

songbird86 hat geschrieben:Natürlich ist der Gedanke, zu kündigen und frei zu sein, erstmal richtig toll. Aber ich muss ja auch was Neues finden. Mein Bruder sucht schon seit 'nem halben Jahr und wegen Corona, Kurzarbeit usw aktuell ist es noch schwerer.


Hm, ich hatte ehrlich gesagt gehofft, da kommt jetzt noch was von dir, wo du sagst: Dieser und jener Teil gefällt mir richtig gut an meinem Job. Positive Seiten, die dem Negativen gegenüberstehen.

Das hört sich für mich dann schon eher wie ein "Brotjob" an, also ein Job der die Miete etc. zahlt, aber einem auch eben nicht darüber hinaus was gibt.
Ein Brotjob ist auch gar nichts verwerfliches, nur sollte der klassische Brotjob dann nicht so einen großen Stellenwert im Leben einnehmen, sowohl zeitlich als auch gedanklich.
Die Idee hinter einem Brotjob ist meine ich vielmehr, man geht z.B. in Teilzeit einem solchen nach, um sich dafür Freiräume für ein eigentliches Ziel, beispielsweise Künstler sein, zu schaffen.

Das wäre dann jetzt meine nächste Frage: Was gibt es sonst in deinem Leben, wo du sagst, dafür lebe ich? Bei mir ist es z.B. die Musik (aktiv wie passiv) und das Tabletophobby, aber auch Biologie und Linguistik, Geschichte usw..
Sowas dient als Ausgleich und lässt einen dann auch die Arbeit als weniger wichtig wahrnehmen. Wenn ich nach einem stressigen Arbeitstag meine Miniaturen bemale, dabei z.B. einen Podcast höre oder einen Film schaue, dann erdet mich das ungemein. Wenn ich hingegen überdreht bin, schnüre ich die Laufschuhe oder schnapp mir meine E-Gitarre und spiele Iron Maiden :devil:

songbird86 hat geschrieben:
Deshalb mag ich es auch nicht, irgendwelche Unzufriedenheiten im Job anzusprechen, "weil sich das ja vllt wieder legt". Mir ist es dann immer so peinlich, wenn ich ein Fass aufgemacht habe und am Ende ist gar nichts. Hinzu kommt, dass ich mir unbewusst immer so viele Gedanken mache, was andere sagen/denken.

Das ist glaub ich meine größte Hürde im Leben.


Meine Mutter liegt mir auch heute noch mit solchen Sprüchen in den Ohren. Da muss man sich fragen, will ich das Spiel "reichster Mann auf dem Friedhof" mitspielen?

Soll auf meinem Grabstein stehen:
"Er hat immer das getan, was andere von ihm erwartet haben"

oder vielmehr:
"Er hat sein Leben so gelebt, wie er es für richtig gehalten hat"

:st4:

Es geht doch um dich. Was sind deine Vorstellungen vom Leben? Wie willst du dein Leben gestalten? Wo sind deine Grenzen?

Was bringt es einem Eisbären zu wissen, wie hoch ein Wüstenfloh springen kann?

songbird86 hat geschrieben:Daher auch die Frage... Ist das das normale Leben? Geht das jetzt bis zur Rente so weiter? Vielleicht habe ich auch schon zu oft "Stell dich nicht so an"-mäßige Sprüche gehört, weshalb ich weiter aushalte und funktioniere. Aber wenn ich so im Internet stöbere, ist Arbeiten für viele ein notwendiges Übel, womit kaum einer richtig zufrieden ist.


Die Tendenz ist grundsätzlich, das Internet aufzusuchen um sich zu beschweren. Die wenigsten Leute loggen sich ein um zu schreiben, das sie ihren Job lieben. Die sind dann halt zufrieden und widmen sich anderen Dingen.

Wie gesagt, ein Job der 100% nur toll ist, dürfte tatsächlich selten sein. Delfintrainer vielleicht, aber selbst da muss z.B. das Futter vorbereitet werden. Aber irgendwas sollte einem schon an dem Job gefallen, sonst passt es wohl wirklich nicht. Eine einfache Strategie, um auch die Anteile an einem Job mögen zu lernen, die einem nicht so gefallen, ist diese Dinge zu meistern.

Als Industriekaufmann durfte ich als "der Neue" in der Abteilung die Ablage machen. Statt wie die meisten zu murren, habe ich es perfektioniert. Ich habe es sprichwörtlich zur Meisterschaft darin gebracht, mit dem Ergebnis, dass es irgendwann immer schneller geht und tatsächlich Spaß macht. Das hat mir auch massiv Respekt bei den Kollegen und Vorgesetzten eingebracht und damit dann auch anspruchsvollere Aufgaben.

Was mir sonst noch einfällt: Du hast doch bestimmt schonmal von der "Papierkorbübung" gehört?

Ich mache die im Grunde jeden Tag auf der Arbeit und vermehrt auch im Privaten, wenn ich Sachen erledigt haben will. Dabei geht es darum, Aufgaben nach Relevanz zu sortieren und dann abzuarbeiten.

Sagen wir ich komm' auf der Arbeit an, und es herrscht Chaos. Dann kann ich entweder in Panik verfallen, von allem ein bisschen machen, oder ich gehe systematisch vor, erledige die dringendsten Aufgaben zuerst eine nach der anderen, verschaffe mir so nach und nach mehr Freiraum und bin dann wieder flexibel auf Ereignisse zu reagieren.

Funktioniert auch bei einem Überraschungsbesuch der Eltern :mrgreen:

Ich würde gerne noch mehr schreiben, aber ich bin gleich noch verabredet. Ich hoffe es kommt auch so einigermaßen rüber, was ich sagen will.

LG DesdiNova
DesdiNova
 

Re: Gehört Unwohlsein & Gemecker zum normalen Leben dazu?

Beitragvon Claudia » Do 23. Jul 2020, 10:57

Hallo songbird86!

Hast Du Dich schon auf die "Reise" gemacht?

Ich frage immer gerne mal nach wie es geht, aber ich möchte Dir keinesfalls auf die Füße treten und Druck machen!
Herzliche Grüsse!
Claudia
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